Mittwoch, 16. Dezember 2020

Stellungnahme der Grünliberalen zum Sachplan Verkehr, Teil Programm

Die Analyse zeigt gut auf, dass das Verkehrswachstum in der Schweiz in der Vergangenheit überproportional stark war. Richtigerweise wird der Angebotsausbau als eine wesentliche Ursache identifiziert. Der zweite Haupt-grund, die massive direkte und indirekte Subventionierung des Verkehrs und die damit verbundenen, zu billigen, Preise, werden aber nur verklausuliert angesprochen. Dabei fördern diese künstlich tiefen Preise den zu be-obachtenden Überkonsum bei der Mobilität, was bei der nachfrageorientierten Verkehrspolitik, wie sie in der Schweiz vorherrscht, den Angebotsausbau vorantreibt. Durch diese Wirkungslogik schafft auch die fortlaufende, teure Engpassbeseitigung ständig neue Engpässe und zerstört dabei gleichzeitig die bestehende Begrenzungs-wirkung. Damit nehmen die negativen Auswirkungen des Verkehrs in den dahinterliegenden Räumen zu.

Der vorliegende Entwurf enthält Ansätze, wie diesem Teufelskreis zukünftig begegnet werden soll. Diese sind aber nicht genügend. Folgende Grundsätze sind im ganzen Sachplan konsequent zu verankern:


• Sämtliche internen und externen Kosten sind den Verkehrsteilnehmer verursachergerecht aufzuerlegen. Anstatt indirekten, diffus wirkenden Subventionen, sollen soweit aus gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Gründen notwendig und sinnvoll gezielte Subventionen ausgereichtet werden können. Dabei ist zu prüfen, wie weit diese objektorientiert ein Verkehrsangebot generell vergünstigen sollen oder subjektorientiert den Zugang von einzelnen Bevölkerungsgruppen oder Branchen erleichtert werden soll. Die notwendige Neuausrichtung der Finanzierung aufgrund der zu erwartenden Rückgänge bei der Mineralölsteuer sollte hierzu auch gleich zum Anlass genommen werden, die Verkehrsfinanzierung auf die oben erwähnten Grundsätze auszurichten.


• Im Zusammenspiel Raumplanung – Verkehrsplanung ist das Primat der Raumplanung zu verankern und die Verkehrsplanung soll zukünftig einen Beitrag an die Erfüllung der raumplanerischen Ziele gemäss den übergeordneten Entwicklungskonzepten leisten. In verschiedenen Raumentwicklungskonzep-ten wird die gewünschten räumlichen Entwicklungen festgelegt. Die Zuweisung zu Siedlungsgebiet resp. Bauzonen ist aber nach wie vor nachfrageorientiert. Mit dem Ausbau von Verkehrsinfrastrukturen und der damit erreichten verbesserten Erschliessungsqualität wird dabei genau diese Nachfrage erhöht.

 

• Vor dem Ausbau der Infrastrukturausbau sind nicht nur Massnahmen zur Erhöhung der Auslastung zu prüfen, sondern auch, ob mit anderen Massnahmen Verkehr vermieden werden kann («Intelligenz statt Beton»). Bezüglich der meisten Zielsetzungen dürfte die nicht gebaute Infrastruktur die nachhaltigste und wirtschaftlich günstigste Lösung sein.


• Zurecht wird im Zusammenhang mit neuen technischen Lösungen und der Digitalisierung vor möglichen Reboundeffekten gewarnt. Es ist anzunehmen, dass diese Entwicklungen den Zugang zur Mobilität erleichtern werden und zu einer besseren Auslastung führen dürften, was damit einem Angebotsausbau gleichkommt. Auch aus diesem Grund ist jeder weitere Infrastrukturausbau kritisch zu hinterfragen, da die reale Gefahr besteht, dass diese Ausbauten zukünftig zu grossen Überkapazitäten führen werden. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass knappe Kapazitäten auf den Verkehrsinfrastrukturen Innovationen und alternative Lösungen fördern. Dieser Aspekt sollte daher in der Beurteilung von Projekten ebenfalls berücksichtigt werden.


• Der Sachplan verweist im Text sowohl auf die Bodenstrategie als auch auf den Sachplan Fruchtfolgeflächen. Es fehlen die Strategie Biodiversität Schweiz mit der ökologischen Infrastruktur und das Landschaftskonzept, welche für die Planung, Bau und Unterhalt der Verkehrsinfrastrukturen ebenfalls zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt für Klimaziel des Bundesrates bis 2050 Netto-Null zu erreichen. Insbesondere bezüglich Luftfahrt und bei der grauen Energie der Infrastruktur ist dieses Ziel ungenügend abgebildet.


• Der Sachplan verweist einerseits auf den tiefen Recyclinganteil im Infrastrukturbau und andererseits auf eine sich abzeichnende Verknappung des Angebots an Hartgesteinen in der Schweiz. Als Massnahme wird der Abbau von Hartgesteinen in Schutzgebieten vorgezeichnet, wenn auch erst nach Ausschluss aller Standorte ausserhalb der Schutzgebiete. Grundsätzlich ist hier anzufügen, dass die negativen Umweltwirkungen der Transportwege von Hartgestein nur beschränkt von der Transportdis-tanz abhängen. Das verwendete Transportmittel ist entscheidender. Ein Bahntransport ist wesentlich ökologischer als ein Strassentransport, womit bei vergleichbarer negativer Umweltwirkungen per Bahn wesentlich längere Transportwege zurückgelegt werden können. Im Entwurf des Sachplans fehlen aber die beiden wichtigsten Massnahmen zur Sicherung der benötigten Ressourcen für den Verkehrsinfrastrukturbau. Der Recyclinganteil ist markant zu erhöhen. Dazu braucht es entsprechende Anpassungen bei den Vorschriften und Normen, ergänzt mit Unterstützung der Forschung und Entwicklung bei den entsprechenden Materialien. Zweitens braucht es eine klare Priorisierung bei der Zuteilung der minera-lischen Rohstoffen zum Tiefbau. Im Hochbau ist weitgehend auf den Einsatz mineralischer Rohstoffe zu verzichten. Entsprechende Koordinationshinweise und Forderungen sind in den Sachplan aufzunehmen.

 

Am Entwurf positiv hervorzuheben ist die starke Berücksichtigung der inter-/multimodalen Mobilität. Der gesellschaftliche/wirtschaftliche Wandel, welcher verstärkt den Zugang zu einer Dienstleistung anstatt des Besitzes an einem Produkt ins Zentrum stellt, wird der inter-/multimodalen Mobilität einen grossen Schub verleihen. Dafür gute Voraussetzungen zu schaffen, auch baulich, ist wichtig.

 

Ebenfalls sehr positiv ist die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Raumtypen und wie die Mobilität innerhalb und zwischen diesen Raumtypen erfolgen soll. Damit wurde eine gute Grundlage geschaffen, wie die Verkehrsplanung helfen kann, die Ziele der Raumentwicklungskonzepte zu erreichen. Jedoch ist auf die Forde-rung, die geplante Siedlungsentwicklung auf bereits bewilligte oder gebaute Infrastruktur auszurichten, zu ver-zichten. Viel eher ist der Bauverzicht bei bereits bewilligten Infrastrukturen resp. der Rückbau bestehender über-dimensionierter Verkehrsinfrastrukturen zu prüfen, anstatt damit unerwünschte räumliche Entwicklungen zu rechtfertigen. Auch finanzpolitisch ist das sinnvoller. Verbesserungsvorschläge zu einzelnen Aspekten folgen weiter unten.

 

Gleich am Anfang des Entwurfs wird auf den wachsenden Güterverkehr hingewiesen. Die Einschätzung wird grundsätzlich geteilt, jedoch wird dieses Thema im Sachplan insgesamt eher knapp behandelt. Es wäre wün-schenswert, wenn der Güterverkehr und wie damit umgegangen werden soll in der finalen Fassung mehr Gewicht erhielte.

 

Im Entwurf des Sachplans fehlen noch klarere Angaben zur Ausgestaltung der Verkehrsinfrastrukturen. In Abstimmung mit der geplanten ökologischen Infrastruktur sind klare Vorgaben zur Ausgestaltung bestehender und neuer Verkehrsinfrastrukturen. Für Stellen, an denen nicht auf Verkehrsinfrastrukturen verzichtet werden kann, sind klare Bau- und Unterhaltsstandards zu entwickeln, wie die Trennwirkung minimiert wird. Für Verkehrsinfrastrukturen innerhalb des Siedlungsgebietes sind Massnahmen zu definieren, wie mit der Multifunktionalität bezüglich Klima und Aufenthaltsqualität umzugehen ist.