Donnerstag, 12. November 2020

Covid-19-Härtefallverordnung

Bei der Bewältigung der Covid-19-Epidemie geht es nicht nur um die Bekämpfung der Epidemie als solcher, sondern auch um die Bewältigung der Folgen, welche die Bekämpfungsmassnahmen auf Gesellschaft und Wirtschaft haben. Es war ein zentrales Anliegen der Grünliberalen bei der Beratung des Covid-19-Gesetzes, dass wirtschaftliche Hilfsmassnahmen nicht nur «normale» Arbeits- und Geschäftsmodelle oder einzelne Branchen erreichen sollen, sondern auch Selbständigerwerbende und Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung, die agil und innovativ arbeiten und gerade deshalb Gefahr laufen, bei den Hilfsmassnahmen durch die Maschen zu fallen.

Als Zwischenweg zwischen vollständigem Strukturerhalt und Strukturzerfall sollen von der Covid-19 Betroffene Unternehmen die Möglichkeit haben, wo nötig einen Transformationsprozess zu vollziehen und ihre Geschäftsmodelle anzupassen.

(Das kurzfristige Mittel zu diesem Zweck ist die Corona-Erwerbsersatzentschädigung.  Bei der Erweiterung des Berechtigtenkreises auf indirekt Betroffene Unternehmen und Selbständige war es den Grünliberalen ein Anliegen, dass die Entschädigung in dem Anteil bezogen werden kann, wie eine Umsatzbusse auf die Covid-19-Krise zurückzuführen ist. In Art. 7 Abs. 1bis der Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall wurde festgelegt, wie diese Betroffenheit erhoben, und in Art. 8a Abs. 2, wie sie kontrolliert wird. Die Grünliberalen gehen davon aus, dass die anteilsmässige Berechtigung auf Taggelder ebenfalls entsprechend umgesetzt wird.)

Die Härtefallregelung, die vorliegend auf Verordnungsstufe umgesetzt werden soll, ist konzeptionell eine Ergänzung der allgemeinen wirtschaftlichen Hilfsmassnahmen, wie sie im Covid-19-Gesetz festgelegt sind. Wie der Name schon sagt, geht es um «Härtefälle». In der Regel denkt man dabei an einzelne, konkrete Personen bzw. Unternehmen und damit an die individuelle Situation der Betroffenen. Folgerichtig erfolgt die Hilfe basierend auf einer Einzelfallprüfung. Das Besondere der Corona-Epidemie ist, dass gewisse Branchen nahezu in ihrer Gesamtheit betroffen sind und damit ganze Branchen zum «Härtefall» zu werden drohen. Das Parlament hat dem mit Sonderregeln für einzelne Branchen wie Sport und Kultur teilweise Rechnung getragen, aber die Betroffenheit geht über diese Branchen hinaus. Die schwierige Frage ist, wo eine sinnvolle Branchenhilfe endet und wo ein abzulehnender Strukturerhalt beginnt. Dabei gilt es eine Balance zwischen einer volkswirtschaftlichen Gesamtbeurteilung einerseits (Anteil an der Schweizer Wertschöpfung bzw. effizienter Einsatz öffentlicher Gelder) und einer arbeits- bzw. sozialpolitischen Perspektive andererseits (ganze Branchen in die Arbeitslosigkeit drängen) zu finden. Die Antwort auf diese Frage wird zusätzlich dadurch erschwert, dass niemand weiss, wie lange die Covid-Epidemie besondere Bekämpfungsmassnahmen erforderlich machen.

 

Schematische Antworten können nach Meinung der Grünliberalen nicht die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen sein. Es braucht vielmehr einen Mix unterschiedlicher Massnahmen, die bedarfsgerecht ausgestaltet sind und laufend überprüft und angepasst werden. Der Entwurf der Härtefallverordnung ist daher stärker an folgenden Eckwerten auszurichten:
 

1. Der Beurteilungsspielraum der Kantone soll grösser sein, verbunden mit einer sorgfältigen Einzelfallprüfung. Die Vorgaben des Bundes sind auf das nötige Minimum zu beschränken. Starren Höchstgrenzen (Art. 8) stehen die Grünliberalen kritisch gegenüber. Einhergehend mit dieser Flexibilität müssen die Kantone in die finanzielle Mitverantwortung genommen werden: An der vorgesehenen Beteiligung der Kantone an den Härtefallzahlungen von 50 Prozent soll klar festgehalten werden.
 

2. Es soll eine enge Koordination der Kantone untereinander gemacht werden, insbesondere hinsichtlich Unternehmen mit Betriebsstätten in mehreren Kantonen, kantonsübergreifenden Wirtschaftsregionen sowie Tätigkeiten, die ortsunabhängig betrieben werden. Die Umsetzung der gesetzlichen Härtefallregelung und auch der ortsspezifischen Definitionen soll aber von den Kantonen vorgenommen werden. Regelungen, die einer überkantonalen Koordination bedürfen, sollen von einem Gremium von kantonalen Vertretungen wahrgenommen werden (z.B. der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz).

 

3. Die Grünliberalen erachten es deshalb nicht als zielführend, wenn das nationale Parlament oder die Bundesverwaltung detaillierte Bedingungen zu Berechtigung und Ausgestaltung der Härtefalllösungen erlässt. Die Vorteile einer föderalistischen Lösung können dann genutzt werden, wenn die Kantone zielgerichtet und situationsgerechte Massnahmen ergreifen können.
 

4. Der finanzielle Bedarf ist laufend zu überprüfen. Es zeichnet sich klar ab, dass der Gesamtbetrag des Bundesbeitrags von Fr. 200 Mio. nicht ausreichen wird. Der Betrag ist angemessen zu erhöhen, im Bedarfsfall in mehreren Schritten.