Mittwoch, 8. Juli 2020

Revision des Energiegesetzes (Fördermassnahmen ab 2023)

Wir Grünliberalen sind erfreut über den Willen des Bundesrates, die Produktion von einheimischen, erneuerbaren Energien auszubauen. Dies ist zwingend notwendig, um ein Ziel von Netto-Null CO2-Emissionen bis ins Jahr 2050 zu erreichen. Wir bevorzugen bekanntlich noch ehrgeizigere CO2-Reduktionsziele (Netto-Null bis 2040) und fordern damit einen deutlich ambitionierteren Ausbau von erneuerbaren Energien, insbesondere der Photovoltaik.

Die mit der Revision des Energiegesetzes (EnG) vorgeschlagenen Fördermassnahmen sollen die Investitionen in die Produktion von erneuerbaren Energien erhöhen. Die Grünliberalen begrüssen, dass der Bundesrat dabei in Richtung von marktnäheren Förderinstrumenten gehen will. Es ist jedoch fraglich, ob die vorgeschlagene Revision ausreichen wird, um die neu verbindlich festgelegten Ausbauziele zu erreichen. Weitere Schritte müssen folgen, wobei die Grünliberalen in der langfristigen Perspektive weiterhin vermehrt Lenkungsmassnahmen anstelle von Subventionen fordern. Wir weisen darauf hin, dass grundsätzlich der Markt dafür zuständig ist, effiziente und den tatsächlichen Produktions- und Verbrauchswerten entsprechende Preissignale zur Verfügung zu stellen.. Dies gilt es insbesondere bei der zukünftigen “Winterstrom”-Versorgung zu beachten. Würden die Engpässe in der Zukunft tatsächlich so prekär, wie von gewissen Kreisen vorausgesagt, dann würden die Preise zu diesen Zeiten so stark steigen, dass sich die Investition in eine entsprechende Produktionsanlage lohnen würde. Oder anders gesagt: Wenn in einem funktionierenden Markt keine Anlagen gebaut werden, braucht es sie aus volkswirtschaftlicher Sicht auch nicht. Wenn der Markt nicht in der Lage ist, effiziente Preissignale zu liefern, muss man aus liberaler Sicht in erster Linie beim Marktdesign ansetzen und nicht bei der Subventionierung. Die Grünliberalen fordern deshalb die Einführung von zeitvariablen, den tatsächlichen Produktions- und Verbrauchswerten entsprechenden Preissignalen.

 

Durch die Corona-Situation hat sich die Ausgangslage dahingehend verändert, dass die Grünliberalen einer verstärkten unmittelbaren finanziellen Beteiligung des Bundes oder anderen Finanzierungsmechanismen (z.B. Green Bonds) positiver gegenüberstehen. Investitionen des Bundes in langfristige Clean-Tech-Projekte können so gleichzeitig den Zielen des Klimaschutzes dienen und die zukunftsfähige Wirtschaft ankurbeln. Zudem hat die Corona-Situation gezeigt, dass dem Aspekt der Widerstandsfähigkeit in Krisensituationen mehr Beachtung geschenkt werden muss. Dies gilt auch für die Energieversorgung. Der Bundesrat trägt dem mit den strategischen Reserven und einer verstärkten Ausrichtung auf die Winterproduktion in den Eckwerten zur Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) Rechnung. Die Grünliberalen sind der Meinung, dass dieser wichtige Aspekt auch im EnG verstärkt beachtet werden soll – insbesondere was die Resilienz der einheimischen, erneuerbaren Produktion und des Verteilnetzes anbelangt.

 

Die Schweiz ist keine Insel. Seit langem fordern die Grünliberalen den Abschluss eines Stromabkommens mit der EU. Sowohl kurzfristig als auch langfristig erhalten wir unsere Versorgungssicherheit am besten, indem wir uns mit unseren Nachbarn abstimmen – dies gilt umso mehr in kritischen Situationen. Die Schweiz kann und muss ihre Versorgung nicht dauerhaft selbst stemmen. Sind Versorgungslücken in der Region (sprich: die Schweiz und ihre Nachbarländer plus Benelux) absehbar, sollten diese gemeinsam angegangen werden. Schaut jedes Land nur für sich, führt dies zu teuren und vermeidbaren Überinvestitionen oder sogar zu zusätzlichen Komplikationen im internationalen Netz. Regional betrachtet sind bis 2035 keine Engpässe absehbar (siehe die „Adequacy Assessments“ im Rahmen des Pentalateralen Energieforums). Die Schweiz verfügt über genügend Grenzkapazitäten, um gegebenenfalls überschüssigen (günstig produzierten, erneuerbaren) Strom aus anderen Ländern aufzunehmen. Ausserdem geht es für die Versorgungssicherheit in Zukunft nicht mehr (nur) um die Energieproduktion in MWh, sondern zunehmend um Flexibilitäten in der Produktion und bei der Nachfrage und auf Verteilnetzebene.

 

Äusserst begrüssenswert ist die Absicht des Bundesrates, neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch deren Integration ins Gesamtsystem fördern zu wollen. Nur so kann der Übergang von einem zentralen zu einem stärker dezentral organisierten Stromsystem effizient gelingen. Zusammen mit der vollständigen Strommarktöffnung wird dies den innovativen Ideen und Unternehmen in der Schweiz neuen Schub verleihen. Die sichere Integration der dezentralen volatilen Erzeugungskapazitäten ist dringend auf neue Technologien und Wettbewerb angewiesen. In Zukunft wird es nicht ausschliesslich entscheidend sein, wie viel Strom wir produzieren und konsumieren, sondern vielmehr wann. Die Diskussion um Versorgungssicherheit wird sich nicht mehr nur um Megawattstunden drehen, sondern um Flexibilität. Diese Flexibilität ist vor allem für die Verteilnetzebene von Bedeutung, da dort in Zukunft viel mehr (volatiler) Strom produziert wird und die Netze zu wenig darauf vorbereitet sind. Ein Ausbau der Verteilnetze ist in vielen Fällen aus Zeit- und Kostengründen nicht sinnvoll und nötig. Insbesondere dezentrale Lasten (aber auch Batterien) stellen eine sinnvolle Alternative zum Netzausbau dar, ganz nach dem Motto Intelligenz statt Kupfer. Die Flexibilitäts-Potenziale bei der Nachfrage werden heute in der Schweiz allerdings noch kaum genutzt. Das muss sich ändern.

 

Zur Frage der Fördermodelle und insbesondere den Investitionsbeiträgen resp. der von der Energiewirtschaft eingebrachten gleitenden Marktprämie wird in den Bemerkungen zu Kapitel 5 des EnG vertieft eingegangen. Allgemein ist zu sagen, dass die Grünliberalen die Einführung von Auktionen grundsätzlich begrüssen, da sie dazu führen, dass primär die effizientesten Anlagen gefördert werden. Schwierigkeiten können einerseits dort auftreten, wo der Markt nicht liquide genug ist, damit eine echte Auktion stattfinden kann. Andererseits fehlt bei flexibel einsetzbaren Kraftwerken der Anreiz, diese netzdienlich einzusetzen, wenn ihnen ein fixer kWh-Preis bezahlt wird – unabhängig davon, ob dieser kWh-Preis administriert oder auktioniert wurde. Aufgrund dieser Überlegungen sind die Grünliberalen der Meinung, dass ein technologieübergreifend einheitliches Fördermodell nicht zielführend ist. Vielmehr sollten die Ausbauziele und darauf aufbauend die Fördermechanismen so gestaltet werden, dass die besonderen Eigenschaften der einzelnen Technologien (insbes. die Saisonalität und Flexibilität) am besten zum Einsatz kommen. Das kann auch bedeuten, dass bei der einen Technologie die Auktion von gleitenden Marktprämien sinnvoller ist, bei einer anderen hingegen die Auktion von Investitionsbeiträgen.

 

Insgesamt begrüssen es die Grünliberalen, dass die bis 2030 befristeten Investitionsbeiträge für die Wasserkraft und andere erneuerbare Energien bis Ende 2035 verlängert und damit die Dauer der Förderung mit dem Zielwert für den Ausbau zeitlich in Einklang gebracht werden. Auch die Aufnahme der Ausbauziele für 2050 ins Gesetz und die Verbindlicherklärung der Richtwerte sind wichtige Schritte. Die Zielsetzung für die Produktion erneuerbarer Energien, ausgenommen Wasserkraft, sind aber deutlich zu tief. Insbesondere bei der Photovoltaik braucht die Schweiz einen kräftigen Schub.

 

Zum Schluss eine grundsätzliche Kritik: Das Energiegesetz ist in weiten Teilen ein Elektrizitätsgesetz. Es ist jedoch klar, dass für die Gesamtenergieversorgung der Schweiz alle Energieträger integral betrachtet werden müssen. Netzkonvergenz, Sektorkopplung, Power-to-x, Wärme-Kraft-Kopplung, synthetische Brenn- und Treibstoffe sind nur ein paar Stichworte, die die aktuelle Forschung und Entwicklung prägen und unabdingbar sind für das Ziel von Netto-Null.